Schematische Darstellung des Agenten-Loops in Agentic AI mit Symbolen für Wahrnehmung, Denken, Handeln und Lernen im Corporate Design der KI Agentur Hamburg.

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Kurze Analyse: Agentic AI – Ein Paradigmenwechsel in der Automatisierung

Autor: Jean Hinz | KI Agentur Hamburg | Stand: Aug 2025

Grundlagen und Abgrenzung

Agentic AI (agentenbasierte KI) stellt eine fortschrittliche Form der künstlichen Intelligenz dar, die eigenständig Entscheidungen treffen und Aktionen ausführen kann, um komplexe, mehrstufige Ziele mit minimaler menschlicher Aufsicht zu erreichen. Im Gegensatz zur generativen KI (GenAI), die primär Inhalte basierend auf Prompts erstellt, zeichnet sich Agentic AI durch ihre Handlungsfähigkeit (“Agency”) aus.

Podcast-Version zum reinhören:

MerkmalAgentic AIGenerative KI (GenAI)Traditionelle KI
Primärer ZweckAktion & ProblemlösungInhaltserstellung & KreationProzessausführung & Regelbefolgung
AutonomiegradHoch (handelt selbstständig nach Zielen)Gering (reagiert auf Prompts)Keiner (folgt festen Regeln)
Art der UmgebungDynamisch, unstrukturiertStatisch, Prompt-basiertStrukturiert, vorhersagbar
KernfähigkeitenPlanung, Entscheidungsfindung, Tool-Nutzung, Multischritt-AusführungTexterstellung, Bildgenerierung, Zusammenfassung, ÜbersetzungDateneingabe, Klicks, Dateiverarbeitung
LernfähigkeitKontinuierliches Lernen und AnpassenAnpassung an Eingaben, keine SelbstverbesserungKeine Lernfähigkeit

Agentic AI repräsentiert die dritte Welle der Automatisierung, die über die Grenzen von traditionellen KI-Systemen, die auf spezifische Aufgaben beschränkt sind, und Robotic Process Automation (RPA), die starren Regeln folgt, hinausgeht.

Funktionsweise und Architektur

Die innere Logik eines KI-Agenten basiert auf einem iterativen Prozess, der als Agenten-Loop bekannt ist und aus den Schritten Wahrnehmen -> Denken -> Handeln -> Lernen besteht.

  • Wahrnehmung (Perception): Der Agent empfängt Auslöser wie E-Mails, API-Aufrufe oder Sensordaten, um die initialen Daten zu verarbeiten.
  • Gedächtnis (Memory): Ein zweischichtiges Gedächtnis, bestehend aus einem Kurzzeitgedächtnis für den aktuellen Kontext und einem Langzeitgedächtnis, das oft durch Vektordatenbanken implementiert wird, ermöglicht es dem Agenten, aus früheren Interaktionen zu lernen.
  • Planung (Planning Module): Das “Gehirn” des Agenten zerlegt komplexe Ziele in handhabbare Teilaufgaben und erstellt einen strategischen Aktionsplan.
  • Ausführung (Execution Layer): Der Agent führt die geplanten Schritte aus, indem er sich mit externen Tools wie APIs, CRMs oder E-Mail-Diensten verbindet.
  • Feedback-Schleife (Feedback Loop): Nach jeder Aktion bewertet der Agent den Erfolg der Aufgabe und passt seine Strategie an, um aus Erfahrungen zu lernen.

Ein zentrales Muster ist das ReAct-Framework (Reasoning and Acting), bei dem der Agent zwischen Denken und Handeln abwechselt, um dynamisch auf Situationen zu reagieren.

Anwendung und Marktlandschaft

  • Softwareentwicklung: Agenten wie “Devin” können Code generieren, testen, debuggen und sogar GitHub-Probleme eigenständig lösen.
  • Kunden-Service: Agenten können komplexe Kundenanfragen verwalten, Probleme lösen, Rückerstattungen bearbeiten und personalisierten Support bieten.
  • Finanzwesen: Agentic AI kann Betrug erkennen, Risikobewertungen durchführen, die Kreditwürdigkeit beurteilen und autonom Handelsstrategien ausführen.
  • Supply Chain und Logistik: Agenten können Lieferketten optimieren, Nachfrage vorhersagen, Bestände neu ordnen und Lieferrouten dynamisch anpassen.
  • Gesundheitswesen: Agentic AI kann Ärzte bei Diagnosen unterstützen, indem sie medizinische Daten analysiert, Patientenakten verwaltet und Behandlungspläne koordiniert.
  • Cybersicherheit: Agenten können Netzwerke kontinuierlich überwachen, Anomalien erkennen und automatische Abwehrmaßnahmen ergreifen, um Bedrohungen in Echtzeit zu stoppen.

Der Markt wird von etablierten Tech-Giganten wie Microsoft (mit AutoGen und Azure AI), Google (mit dem Stanford AI Village), OpenAI (mit GPT-Modellen) und NVIDIA (als Hardware-Anbieter) sowie innovativen Start-ups wie Anysphere (mit “Devin”), Boost AI und CrewAI vorangetrieben.

Chancen, Risiken und ethische Dimensionen

Strategische Chancen und disruptives Potenzial

  • Produktivitätssteigerungen: Agentic AI automatisiert repetitive und administrative Aufgaben, wodurch Mitarbeiter sich auf strategische und kreative Tätigkeiten konzentrieren können.
  • Hyperautomatisierung: Durch die Kombination mit bestehenden RPA-Systemen können Unternehmen End-to-End-Prozesse automatisieren und neu gestalten.
  • Reduzierung von Betriebskosten: Der Einsatz von Agenten kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen.

Technische Risiken und Herausforderungen

  • Halluzinationen: Falsche Informationen von Agenten können in einem handlungsbasierten Kontext zu schwerwiegenden Konsequenzen führen.
  • Kontrollverlust: Autonome Agenten könnten unerwünschte Wege einschlagen, um ihre Ziele zu erreichen. Das Problem wird in Multi-Agenten-Systemen noch komplexer.
  • Sicherheitsrisiken: Die Übernahme von KI-Agenten, die Zugriff auf sensible Daten haben, gilt als eine der größten zukünftigen Cyberbedrohungen.
  • Fehlende Transparenz: Viele komplexe KI-Systeme sind “Black Boxes”, deren Entscheidungsprozesse undurchsichtig bleiben, was das Vertrauen der Nutzer untergräbt.

Ethische, soziale und rechtliche Herausforderungen

  • Verantwortung und Haftung: Die Autonomie der Agenten wirft die grundlegende Frage auf, wer für Fehler haftet. Die “Agency Theory” aus der Organisationsforschung dient zur Analyse der Beziehung zwischen Mensch und KI-Agent.
  • Arbeitsplatzveränderungen: Agentic AI hat das Potenzial, Jobs mit repetitiven Aufgaben zu verändern oder zu ersetzen, während Berufe, die strategisches Denken erfordern, an Bedeutung gewinnen.
  • EU-KI-Gesetz (EU AI Act): Das Gesetz, das am 2. Februar 2025 in Kraft getreten ist, verbietet KI-Systeme mit “inakzeptablem Risiko” und legt strenge Auflagen für Hochrisiko-Systeme fest. Verstöße können zu Bußgeldern von bis zu 35 Millionen Euro oder 7 % des weltweiten Jahresumsatzes führen.
  • Urheberrecht und Fair Use: Gerichtsentscheidungen wie im Fall “Bartz gegen Anthropic” zeigen, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials zum Training von KI als “transformative” faire Nutzung gelten kann, während die Nutzung piratierter Inhalte eine klare Haftung nach sich zieht.
  • Produkthaftung: Im Fall “Mutter von Sewell Setzer III gegen Character.AI & Google” wurde ein LLM-gestützter Chatbot als “Produkt” eingestuft, das dem Produkthaftungsrecht unterliegt, was die Risikobewertung für KI-Entwickler grundlegend beeinflusst.

Zukunftsperspektiven und Trends

  • Multi-Agenten-Systeme: Die Entwicklung geht hin zu koordinierten “KI-Teams”, in denen Agenten mit spezialisierten Rollen zusammenarbeiten, um komplexe Ziele zu erreichen.
  • Multimodalität: Zukünftige Agenten werden nicht nur Text verarbeiten, sondern auch Inputs wie Bilder, Audio und Video, um ein umfassenderes Verständnis der Umgebung zu ermöglichen.
  • Domänenspezialisierung: Allgemeine KI-Modelle werden durch spezialisierte Agenten abgelöst, die für bestimmte Branchen entwickelt werden und über tieferes Fachwissen verfügen.
  • Der Weg zu AGI: Agentic AI gilt als entscheidender Baustein auf dem Weg zur Künstlichen Allgemeinen Intelligenz (AGI), da sie die Lücke zwischen der reinen Kognition von LLMs und der realen Interaktion mit der Welt schließt.

Die effektive Navigation in der KI-Rechtslandschaft erfordert eine tiefe Zusammenarbeit zwischen Rechts-, Technik-, Ethik- und Geschäftsteams innerhalb von Organisationen. Isolationierte Ansätze werden nicht ausreichen, um die systemischen Herausforderungen der KI zu bewältigen.

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