KI im deutschen Rechtswesen

Illustration eines humanoiden Roboters mit Schaltkreisen, der auf eine Waage, ein geöffnetes Gesetzbuch, einen Richterhammer und ein Paragrafenzeichen blickt – Symbolbild für den Einsatz von KI im Rechtswesen.

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KI im deutschen Rechtswesen: Revolution oder Evolution? Ein umfassender Leitfaden für Jurist:innen und Unternehmen

Autor: Jean Hinz | KI Agentur Hamburg | Stand: Juli 2025

Es ist unbestreitbar, dass KI im deutschen Rechtswesen einen signifikanten Wandel herbeiführt. Experten erwarten, dass dieser Markt bis 2030 ein Volumen von 2.201,3 Millionen US-Dollar erreichen wird, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 9,2 % ab 2024. Dieses immense Wachstum wird maßgeblich durch die zunehmende Integration von KI-Lösungen im deutschen Rechtswesen vorangetrieben, die darauf abzielen, Effizienz zu steigern, Abläufe zu optimieren und Kosten zu senken.

Dieser Artikel nimmt Sie mit auf eine umfassende Reise durch die Welt der KI im deutschen Rechtswesen. Wir beleuchten die aktuellen Anwendungen, stellen Ihnen spezifische Tools vor und diskutieren die Herausforderungen, die sich bei der Implementierung ergeben. Darüber hinaus werfen wir einen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von Legal Tech prägen, und wagen einen Ausblick auf die Zukunft dieses spannenden Feldes. Ob Sie als Jurist:in, Freiberufler:in, Unternehmer:in oder Marketingexperte:in tätig sind – erfahren Sie, wie KI im deutschen Rechtswesen Ihre Arbeit beeinflusst und welche Chancen sich daraus ergeben.

Podcast-Version zum reinhören:


1. Der deutsche Legal-Tech-Markt: Ein Überblick über KI-Tools und ihre Funktionen

Der deutsche Legal-Tech-Markt zeichnet sich durch eine lebendige Szene von rund 300 aktiven Unternehmen aus, die zwischen 6.200 und 10.000 Mitarbeiter beschäftigen. Dieses robuste Ökosystem umfasst sowohl etablierte Anbieter als auch zahlreiche junge Start-ups. KI-Tools entfalten ihre Wirkung dabei in vielfältigen juristischen Funktionen und sind darauf ausgelegt, Routineaufgaben zu automatisieren, um es Juristinnen und Juristen zu ermöglichen, sich auf komplexere und strategischere Tätigkeiten zu konzentrieren.

1.1. Aktuelle KI-Tools für den deutschen Rechtsmarkt: National vs. International

Der deutsche Markt bietet eine interessante Mischung aus nationalen und internationalen KI-Lösungen. Ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz und den Erfolg im deutschen Rechtswesen ist die Fokussierung auf lokale Anforderungen und das regulatorische Umfeld.

Fokus auf deutsche Anbieter mit Lokalisierung und Datenschutz:

  • STP.One Legal Twin: Dieses generative KI-Produkt des Anwaltssoftwareanbieters STP.One wurde in Zusammenarbeit mit Storm Reply und Data Reply entwickelt. Es revolutioniert die Aktenprüfung, indem es Juristinnen und Juristen ermöglicht, Tausende von Akten in wenigen Minuten zu sichten. Kernfunktionen umfassen das Extrahieren von Fakten, das Zusammenfassen von Informationen, die Bestimmung des Rechtsgebiets, die Identifizierung von Parteien und Fristen sowie die weitere Automatisierung von Kanzleiprozessen. STP.One legt großen Wert auf Rechtssicherheit, Datenschutz und Compliance und nutzt dafür das Large Language Model (LLM) Claude 2.1 von Anthropic in einer sicheren Cloud-Umgebung am Standort Frankfurt.
  • iur.crowd: Ein deutsches Legal-Tech-Startup, das sich auf Legal Analytics spezialisiert hat. Dieses Tool bietet statistische Auswertungen juristischer Daten mit Schwerpunkt auf der Anonymisierung, dem Teilen und der Analyse von Gerichtsentscheidungen.
  • Gesetze.io: Eine Anwendung, die die digitale Arbeit mit Gesetzen und juristischen Informationen vereinfachen soll. Anfang 2024 entwickelte Gesetze.io einen Custom GPT speziell für die juristische Recherche, der direkte Fragen zu Gesetzen und Urteilen basierend auf der Gesetze.io-Datenbank ermöglicht.

Weitere spannende Anbieter

  • Noxtua: Mit Sitz in Berlin, positioniert sich als „Europas führende souveräne Legal AI“ und bekennt sich zu europäischen Werten wie Datenschutz, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Es bietet eine intuitive Chat-Oberfläche, die auf proprietären KI-Modellen basiert, die mit hochwertigen juristischen Daten trainiert wurden. Noxtua ist zudem als erstes deutsches Unternehmen nach ISO/IEC 42001 (Standard für KI-Managementsysteme) zertifiziert und BSI C5-konform.
  • Prime Legal AI: Kombiniert eine vortrainierte semantische Rechtssuche mit leistungsstarken LLMs. Das System legt großen Wert auf strikte Datenanonymisierung und Datensparsamkeit, um die Einhaltung berufsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Vorschriften (DSGVO) zu gewährleisten. Es ermöglicht Anwendern, sicher mit ihren eigenen Daten in der Cloud und mit KI zu arbeiten.
  • Otris legal SUITE: Eine modulare Legal-Tech-Software, die KI-gestützte Funktionen in den Bereichen Vertrags-, Beteiligungs-, Fall- (digitale Rechtsakten) und IP-Management integriert. Der „otris copilot“ unterstützt insbesondere die automatisierte Erfassung und Übertragung von Stammdaten, die Inhaltsanalyse, Risikoprüfungen und die semantische Suche.

Weitere bemerkenswerte deutsche Anbieter sind Lawlift und Cetonis für die automatisierte Dokumentenerstellung sowie Leverton und rfrzn als Pioniere der Dokumentenanalyse-Software.

Trend zur lokalen KI

Ein signifikanter Trend ist die Entwicklung von „souveränen“ oder DSGVO-konformen lokalen KI-Lösungen. Die konsequente Betonung von Datenschutz, lokaler Datenverarbeitung und der Einhaltung deutscher und EU-Vorschriften durch Anbieter wie STP.One (Hosting in Frankfurt), Noxtua (Berliner Basis, europäische Werte, Zertifizierungen) und Prime Legal AI (DSGVO-Konformität, Anonymisierungsfunktionen) unterstreicht, dass dies nicht nur eine regulatorische Anforderung, sondern ein strategisches Unterscheidungsmerkmal ist. Juristinnen und Juristen in Deutschland, insbesondere solche, die mit hochsensiblen Mandantendaten arbeiten, bevorzugen zunehmend KI-Lösungen, die Datenresidenz und robuste Datenschutzmaßnahmen innerhalb Deutschlands oder der EU garantieren.

Internationale Tools und ihre Anpassung an den deutschen Markt:

Neben den deutschen Entwicklungen sind auch zahlreiche internationale KI-Legal-Tech-Anbieter auf dem deutschen Markt aktiv. Sie passen ihre Angebote oft durch strategische Partnerschaften oder die Integration in lokale Plattformen an die spezifischen Gegebenheiten an.

  • Legora: Ein internationaler kollaborativer KI-Arbeitsbereich, der von Tausenden von Anwälten in Top-Kanzleien weltweit genutzt wird. Legora konzentriert sich auf die Beschleunigung der Dokumentenprüfung, die Verbesserung der Rechtsrecherche und die intelligente Dokumentenerstellung.
  • Bryter Beamon AI: Gilt als führende Legal-Tech-Firma in Deutschland und hat eine bedeutende Partnerschaft mit dem Deutschen Anwaltverein (DAV) geschlossen, die dessen 60.000 Mitgliedern exklusiven Zugang zu Bryters KI-Produktivitätssuite Beamon AI zu vergünstigten Konditionen bietet.
  • Harvey AI: Eine KI-Plattform, die in Zusammenarbeit mit OpenAI entwickelt wurde, ist primär auf Großkanzleien zugeschnitten und wird in Deutschland zunehmend als „Denkpartner“ für die Entwicklung von Streitbeilegungsstrategien eingesetzt.

Integration in etablierte Rechtsdatenbanken: Große Rechtsinformationsanbieter wie Wolters Kluwer und C.H. Beck integrieren ebenfalls KI-Funktionalitäten in ihre etablierten Datenbanken. Beispiele sind „Wolters Kluwer GPT-Zusammenfassungen“ und der kommende „Beck-chat“.

DeepL: Obwohl kein reines Legal-Tech-Tool, wird dieses deutsche KI-Startup für seine qualitativ hochwertige maschinelle Übersetzung von Juristinnen und Juristen häufig für internationale Verträge verwendet.

1.2. Funktionale Kategorisierung von Legal Tech KI-Tools

KI-gestützte Legal-Tech-Tools können sinnvoll nach ihren Kernfunktionen kategorisiert werden, was die vielfältigen Wege widerspiegelt, auf denen sie die juristische Arbeit verbessern:

  • Dokumentenerstellung (Document Creation/Drafting): Automatisieren die Generierung juristischer Dokumente wie Verträge, Schriftsätze und Datenschutzerklärungen, oft basierend auf vordefinierten Parametern. Beispiele: Legora, Bryter Beamon AI, Otris copilot, Lawlift, Cetonis, Harvey AI, Noxtua, Prime Legal AI.
  • Dokumentenanalyse & -prüfung (Document Analysis & Review): KI-Systeme, die große Mengen juristischer Dokumente verarbeiten, um relevante Informationen zu extrahieren, Trends zu identifizieren, Risikobewertungen vorzunehmen oder Inhalte zusammenzufassen. Beispiele: Legora, STP.One Legal Twin, Bryter Beamon AI, Wolters Kluwer GPT-Zusammenfassungen, Harvey AI, Noxtua, Otris copilot, Leverton, rfrzn.
  • Rechtsrecherche & Wissensmanagement (Legal Research & Knowledge Management): Tools, die Juristinnen und Juristen dabei unterstützen, relevante juristische Texte, Präzedenzfälle und Fallrecht schnell zu finden und große Wissensdatenbanken zu verwalten. Beispiele: Legora, Beck-chat, Gesetze.io Custom GPT, LEX AI, Harvey AI, Noxtua, Prime Legal AI, Wolters Kluwer GPT-Zusammenfassungen.

Weitere Kategorien

  • Rechtsanalyse & Prognose (Legal Analytics & Prediction): Systeme, die statistische Auswertungen juristischer Daten liefern, Muster erkennen und sogar die Wahrscheinlichkeit bestimmter Urteilsergebnisse vorhersagen können. Beispiele: iur.crowd, Startup Creator.
  • Mandantenkommunikation & Beratung (Client Communication & Consultation): KI-basierte Chatbots und Plattformen, die juristische Informationen in verständlicher Sprache bereitstellen und grundlegende Rechtsfragen rund um die Uhr beantworten. Beispiele: Allgemeine KI-basierte Chatbots, Prime Legal AI.
  • Workflow-Management & Automatisierung (Workflow Management & Automation): Lösungen, die interne Kanzleiprozesse optimieren, Routineaufgaben automatisieren und juristische Angelegenheiten zentral verwalten. Beispiele: STP.One, Otris legal SUITE.
  • Anonymisierung & Compliance (Anonymization & Compliance): Spezialisierte Tools, die personenbezogene Daten in juristischen Dokumenten schwärzen, um die Einhaltung von Datenschutzvorschriften wie der DSGVO zu gewährleisten. Beispiele: STP.One Legal Twin, Prime Legal AI Anonymizer.
  • Übersetzung (Translation): KI-Tools, die brauchbare Übersetzungen für internationale juristische Dokumente erstellen können, wobei eine umfassende Nachbearbeitung durch menschliche Expert:innen unerlässlich ist. Beispiel: DeepL.

Während der Markt eine Vielzahl spezialisierter Tools für einzelne Funktionen bietet, zeigt sich ein klarer und starker Trend zu umfassenden, integrierten Plattformen. Anbieter, die solche integrierten Lösungen anbieten können, werden voraussichtlich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erzielen, indem sie die Nachfrage nach optimierten und umfassenden Legal-AI-Plattformen erfüllen.


2. Funktionsweise und Automatisierungsgrad von KI im Recht

Die Kernfunktionen von KI-Tools im Rechtswesen sind darauf ausgelegt, manuelle, repetitive und zeitaufwändige Aufgaben zu automatisieren und die Qualität der juristischen Arbeit zu verbessern.

2.1. Kernfunktionen und konkrete Anwendungsfälle im Detail

  • Dokumentenanalyse und -prüfung: KI-Tools ermöglichen hier eine beispiellose Effizienz. Legora wandelt große Mengen von Verträgen oder Akten in interaktive Tabellen um, wodurch Rechtsteams schnell Schlüsseldaten extrahieren, Klauseln vergleichen und Inkonsistenzen erkennen können. STP.One Legal Twin kann Tausende von Rechtsakten in wenigen Minuten durchsuchen, Fakten extrahieren, zusammenfassen, das Rechtsgebiet bestimmen, Parteien identifizieren und Fristen festlegen, was den manuellen Überprüfungsaufwand erheblich reduziert. KPMG Law hebt hervor, dass KI-Systeme große Mengen juristischer Dokumente analysieren können, um relevante Informationen zu extrahieren, Trends zu identifizieren und Risikobewertungen vorzunehmen, was insbesondere bei der Due Diligence und der Vertragsprüfung nützlich ist.
  • Dokumentenerstellung und -entwurf: Dieser Bereich wird durch KI erheblich beschleunigt und verbessert. KI-gestützte Software kann die Erstellung juristischer Dokumente wie Verträge, Schriftsätze und Datenschutzerklärungen automatisieren, indem sie personalisierte Dokumente generiert, die rechtlichen Anforderungen entsprechen und Zeit sparen. Legora lässt sich in Word integrieren und fungiert als „zweites Augenpaar“ beim Entwerfen aus Präzedenzfällen, beim Überprüfen anhand von Playbooks oder beim Ausfüllen langer Formulare.
  • Rechtsrecherche und Wissensmanagement: KI-Tools verbessern hier die Effizienz und Tiefe der Informationsbeschaffung. Legora revolutioniert die Rechtsrecherche, indem es schnelle, präzise Ergebnisse aus internen Datenbanken, externen Rechtsressourcen und Fallrechtsbibliotheken liefert und „agentische Abfragen“ ausführt. Wolters Kluwer GPT-Zusammenfassungen ist eine Funktion, die es der KI ermöglicht, juristische Dokumente wie Urteile und Beschlüsse zusammenzufassen, um schnell einen Überblick über den Inhalt zu erhalten.

Weitere Anwendungsfälle

  • Legal Analytics und Prognose: Diese Anwendungen bieten KI-gestützte Einblicke in rechtliche Ergebnisse und Trends. iur.crowd bietet Legal Analytics zur Auswertung von Gerichtsentscheidungen und beantwortet Fragen wie die Häufigkeit von Urteilen mit bestimmten Ergebnissen oder realistische Vergleichssummen. Startup Creator weist darauf hin, dass KI Urteile vorhersagen kann, indem sie historische Daten analysiert und Muster erkennt.
  • Mandantenkommunikation: Die Kommunikation mit Mandanten wird durch KI effizienter und zugänglicher. Otris erwähnt Chatbots, die rund um die Uhr verfügbar sind, um einfache Fragen zu beantworten, wodurch wertvolle Zeit für Rechtsberater gespart wird. Prime Legal AI kann Rechtsgutachten in Fachsprache verfassen oder Antworten für Mandanten in juristischer Laiensprache formulieren.
  • Workflow-Optimierung und Kanzleimanagement: KI optimiert diese Bereiche erheblich. STP.One bietet eine vollständig integrierte Legal-Tech-Plattform, die Workflow-Automatisierung, KI-basiertes Dokumentenmanagement und ERP-Software umfasst. Die Otris legal SUITE unterstützt automatisierte Prozesse und KI-Integration für Vertrags-, Beteiligungs- und Fallmanagement.
  • Anonymisierung: Diese Funktion ist für die Einhaltung des Datenschutzes unerlässlich. Der Prime Legal AI Anonymizer anonymisiert juristische Dokumente (PDF, docx, txt) vor Ort und schwärzt sensible personenbezogene und unternehmensbezogene Daten. STP.One Legal Twin gewährleistet ebenfalls Datenschutz und Compliance bei der Aktenprüfung.
  • Übersetzung: DeepL wird häufig zur Erstellung von Übersetzungen für internationale Verträge verwendet, obwohl eine umfassende Nachbearbeitung durch juristische Expertinnen und Experten erforderlich ist.

2.2. Unterstützende Rolle der KI: Effizienzsteigerung, nicht Ersatz des Menschen

Der überwiegende Konsens in der Branche ist, dass KI-Tools im deutschen Rechtssektor primär eine unterstützende Funktion erfüllen, die Effizienz und Präzision erhöhen, anstatt autonome Entscheidungen zu treffen. KI ermöglicht es Anwälten und Rechtsabteilungen, „effizienter, präziser und innovativer zu arbeiten“, indem sie Standardaufgaben automatisiert und komplexe Analysen unterstützt. Die deutsche Justiz steht dem Einsatz von KI grundsätzlich offen gegenüber, betont jedoch ausdrücklich, dass die „endgültige Entscheidungsfindung eine menschliche Aktivität bleiben muss“.

KI wird nicht als Ersatz für Jurist:innen angesehen, sondern vielmehr als Mittel, um sie von „Verwaltungsaufgaben“ zu befreien, damit sie sich auf „professionelle Mandantenberatung“ und „komplexere, strategische und zwischenmenschliche Aspekte“ ihrer Arbeit konzentrieren können. Die Wirkung von KI wird mit der eines „erfahrenen Praktikanten“ verglichen, der relevante Informationen aus Tausenden von Seiten in Sekundenschnelle filtert und aufbereitet, wobei die letztendliche rechtliche Bewertung weiterhin von einem menschlichen Anwalt vorgenommen wird. Dies festigt das Paradigma des „erweiterten Juristen“ (augmented lawyer).

2.3. Generative KI (LLMs) vs. regelbasierte Systeme: Ein Paradigmenwechsel

Generative KI, insbesondere Large Language Models (LLMs), wird als „Paradigmenwechsel“ im Rechtswesen anerkannt und treibt erhebliche Innovationen voran. LLMs wie ChatGPT werden für ihre Fähigkeit gelobt, „riesige Wissensmengen in Sekundenschnelle zu verarbeiten, zu sortieren und aufzubereiten“ und Datenbank-Suchfunktionen zu verbessern, indem sie ganze Satzkontexte verstehen. Der Legal Twin von STP.One nutzt beispielsweise Claude 2.1 von Anthropic, ein bekanntes LLM. Harvey AI, eine KI-Plattform, die in Zusammenarbeit mit OpenAI entwickelt wurde, ist ein weiteres Beispiel.

Im Vergleich zu traditionellen regelbasierten Systemen bieten generative KI-Modelle eine höhere Flexibilität und die Fähigkeit, komplexe, nuancierte und kreative Inhalte zu generieren, die über vordefinierte Regeln hinausgehen. Während regelbasierte Systeme für klar definierte Aufgaben mit festen Logiken effektiv sind, können LLMs Muster in unstrukturierten Daten erkennen, kontextbezogene Antworten liefern und sogar neue Texte im juristischen Stil verfassen.

Die Herausforderungen

Allerdings birgt der Einsatz generativer KI auch Herausforderungen, wie die Tendenz von Chatbots zu „halluzinieren“ (d.h., falsche oder erfundene Informationen zu generieren). Um diesen Bedenken zu begegnen, sind KI-Lösungen in der juristischen Recherche so konzipiert, dass die Sprachmodelle nur mit Informationen aus der Datenbank trainiert werden und die Software auf sicheren Servern gehostet wird, die keine Informationen mit externen Entwicklern teilen. Die Kombination von Retrieval Augmented Generation (RAG)-Technologie mit fortschrittlichen Reasoning-Modellen wird als die Zukunft der juristischen KI angesehen. RAG sorgt für faktische Genauigkeit, indem es die KI an reale juristische Quellen bindet, während Reasoning-Modelle die analytische Tiefe erhöhen. Dies bedeutet, dass die KI nicht nur Informationen generiert, sondern diese auch mit überprüfbaren Quellen belegt, was das Vertrauen in die Ergebnisse erhöht und das Risiko von Halluzinationen minimiert.

Ein Durchbruch für Berufsgeheimnisträger ist die rasante technologische Entwicklung, die im Laufe des Jahres 2025 den praktikablen Einsatz von LLMs auf lokalen Geräten wie Laptops oder PCs ermöglicht. Dies bedeutet, dass sensible Daten direkt auf dem eigenen Gerät verarbeitet werden können, ohne sie extern speichern oder übertragen zu müssen, was maximale Datensouveränität und Datenschutzkonformität gewährleistet.


3. Rechtliche und ethische Implikationen der KI-Nutzung

Der Einsatz von KI im Rechtswesen birgt spezifische Risiken, die sorgfältig gemanagt werden müssen.

3.1. Datenschutz (DSGVO): Eine nicht verhandelbare Anforderung

Die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist eine zentrale und nicht verhandelbare Anforderung für den Einsatz von KI-Tools im deutschen Rechtswesen. Angesichts der hochsensiblen Mandantendaten ist der Schutz dieser Informationen von größter Bedeutung. Anbieter von Legal-AI-Lösungen begegnen diesen Anforderungen auf verschiedene Weisen:

  • Lokale Datenverarbeitung und sichere Server: Viele Tools, insbesondere deutsche Anbieter, legen großen Wert auf die Speicherung und Verarbeitung von Daten innerhalb Deutschlands oder der EU. STP.One Legal Twin nutzt beispielsweise eine sichere Cloud-Umgebung am Standort Frankfurt. Noxtua betont sein Engagement für europäische Werte wie Datenschutz und Transparenz und ist nach BSI C5 zertifiziert. Prime Legal AI ermöglicht es, Daten sicher in der Cloud zu verarbeiten und bietet eine leistungsstarke Anonymisierungsfunktion.
  • Anonymisierung und Pseudonymisierung: Die Anonymisierung oder Schwärzung personenbezogener und unternehmensbezogener Daten ist eine absolute Voraussetzung für die sichere Nutzung von Datensätzen in KI-Systemen. Prime Legal AI bietet einen dedizierten Anonymizer, der sensible Bereiche in Dokumenten schwärzt.
  • Eingeschränkte Datennutzung für das KI-Training: Viele KI-Lösungen in der juristischen Recherche sind so konzipiert, dass die Sprachmodelle ausschließlich mit Informationen aus der jeweiligen Datenbank trainiert werden und die Software auf sicheren Servern gehostet wird, die keine Informationen mit externen Entwicklern teilen.
  • Interne Berechtigungskonzepte: Bei der Einführung von KI-Tools muss sichergestellt werden, dass bereits intern erreichte Sicherheitsziele, wie sichere Datenräume mit Mandanten- und Berechtigungskonzepten, nicht ausgehebelt werden.

3.2. Risikodiskussion: Halluzinationen, Bias und Haftungsfragen

Die prominentesten Bedenken betreffen die sogenannte „Halluzination“ von KI-Modellen und die damit verbundenen Haftungsfragen bei Fehlberatung.

  • Halluzinationen: Beschreiben das Verhalten von KI, Daten abzuleiten, die frei aus dem während des Trainings Gelernten zusammengestellt sind und faktisch falsch oder erfunden sein können. Dies stellt eine erhebliche Gefahr dar, da falsche oder ungenaue juristische Informationen gravierende Folgen haben können. Die Kombination von Retrieval Augmented Generation (RAG)-Technologie, die KI-generierte Analysen mit echten juristischen Quellen verknüpft, und fortschrittlichen Reasoning-Modellen wird als die Zukunft juristischer KI angesehen, da RAG für faktische Genauigkeit sorgt.
  • Haftung bei Fehlberatung: Unabhängig davon, ob KI verwendet wurde oder nicht, umfassen die berufsrechtlichen Pflichten eines Anwalts bereits die Verantwortung, korrekte Aussagen zu machen und die Richtigkeit von Zitaten und Argumenten zu überprüfen. Es wird betont, dass „die Haftung bei den Anwälten bleibt“. Dies bedeutet, dass alles, was LLMs produzieren, derzeit noch von einem Anwalt geprüft werden muss. Die KI dient als Unterstützung, aber die endgültige juristische Bewertung und die Verantwortung für die Richtigkeit der Beratung liegen weiterhin beim menschlichen Juristen.
  • Weitere Risiken: Neben diesen Risiken bestehen Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit im Allgemeinen. Auch Bias und Verzerrungen in den Trainingsdaten können zu diskriminierenden Ergebnissen führen.

Die Bewältigung dieser Risiken erfordert eine Kombination aus technologischen Maßnahmen (z.B. RAG, sichere Hosting-Umgebungen), klaren regulatorischen Rahmenbedingungen (z.B. EU AI Act, der KI-Systeme zur Unterstützung von Justizbehörden als „hochriskant“ einstuft) und einer kontinuierlichen Schulung der Juristinnen und Juristen im Umgang mit KI-Tools.


4. Marktentwicklung und Akzeptanz von KI im deutschen Rechtswesen

Der deutsche Legal-Tech-Markt befindet sich in einer dynamischen Phase, in der KI-Tools zunehmend in Kanzleien, Unternehmensrechtsabteilungen und der Justiz Fuß fassen.

4.1. Etablierte Tools in Kanzleien, Unternehmensrechtsabteilungen und der Justiz

  • In Kanzleien: Verschiedene KI-Anwendungen haben sich etabliert, insbesondere in den Bereichen Dokumentenanalyse, -erstellung und Rechtsrecherche. Großkanzleien wie DLA Piper, Linklaters und Clifford Chance nutzen bereits Bryter Beamon AI. Harvey AI findet ebenfalls Anwendung in Großkanzleien als „Denkpartner“ bei der Entwicklung von Streitbeilegungsstrategien. Die Integration von KI-Funktionen in etablierte Rechtsdatenbanken wie Wolters Kluwer Online und Beck Online erleichtert den Zugang zu KI-gestützter Recherche und Analyse für eine breite Masse von Anwälten.
  • In Unternehmensrechtsabteilungen: KI-Tools werden vor allem zur Effizienzsteigerung im Vertragsmanagement, bei der Due Diligence und der Compliance eingesetzt. Bryter Beamon AI wird beispielsweise von Inhouse-Juristen bei Unternehmen wie McDonald’s und Deloitte genutzt.
  • In der Justiz: Die deutsche Justiz zeigt sich grundsätzlich offen für den Einsatz von KI, wie ein Positionspapier der Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs aus dem Mai 2022 belegt. Pilotprojekte wie „OLGA“ (Oberlandesgerichtsassistent) des Oberlandesgerichts Stuttgart, ein KI-Tool, das sich auf Berufungen in Diesel-Emissionsfällen konzentriert, sind Beispiele für die Anwendung in der Praxis. Eine breite oder standardisierte Nutzung von KI-Tools in der Justiz wird jedoch in naher Zukunft nicht erwartet.

4.2. Hürden bei der Einführung: Kosten, Integration und Skepsis

Trotz der offensichtlichen Vorteile und des wachsenden Interesses an KI-Tools bestehen in Deutschland erhebliche Hürden bei deren Einführung.

  • Wirtschaftliche Hürden (Kosten): Die Implementierung von Legal-Tech-Lösungen ist oft mit erheblichen Kosten verbunden, die insbesondere für kleinere Kanzleien oder Einzelanwälte eine große Herausforderung darstellen können.
  • Technische Hürden (Integrationsaufwand): Die Integration neuer KI-Tools in bestehende IT-Infrastrukturen und Arbeitsabläufe kann komplex und ressourcenintensiv sein. Viele Kanzleien verfügen möglicherweise nicht über die notwendige interne IT-Expertise.
  • Kulturelle Hürden (technologische Skepsie und Widerstand gegen Veränderungen): Der Rechtssektor gilt traditionell als konservativ, und es gibt oft einen Widerstand gegen Veränderungen. Die Skepsie gegenüber neuen Technologien, insbesondere gegenüber KI, die als potenzielle Bedrohung für Arbeitsplätze wahrgenommen werden könnte, ist eine verbreitete Herausforderung.

4.3. Einschätzung des Marktes durch Fachverbände und Universitäten

Fachverbände, Legal-Tech-Plattformen und Universitäten spielen eine wichtige Rolle bei der Bewertung und Gestaltung des Legal-Tech-Marktes in Deutschland. Der deutsche Legal-Tech-Markt wird als vielfältig und experimentell beschrieben. KI wird als massiver Wachstumsmotor gesehen; allein in Deutschland kann generative KI ein Wertschöpfungspotenzial von 330 Milliarden Euro freisetzen. Das Vertrauen der Kapitalmärkte ist vorhanden, was sich in hohen Investitionen in KI-fokussierte Unternehmen zeigt; rund 79 % der Legal-Tech-Investitionen im Jahr 2024 (2,2 Mrd. USD) flossen in solche Firmen.


5. Zukunftsperspektiven: Die Transformation der juristischen Praxis

Die Zukunft der KI im deutschen Rechtswesen wird von mehreren prägenden Entwicklungen gezeichnet sein, die die Art und Weise, wie juristische Arbeit verrichtet wird, grundlegend verändern werden.

5.1. Abzeichnende Entwicklungen: Spezialisierung, All-in-One-Workspaces & intelligente Agenten

Ein deutlicher Trend ist die Spezialisierung von KI-Tools. Diese Modelle werden auf spezifische juristische Daten trainiert und sind in der Lage, hochpräzise Antworten für komplexe Rechtsfragen in bestimmten Fachgebieten zu liefern, wie beispielsweise Cameo’s JuraGPT im Steuerrecht.

Gleichzeitig wird die Entwicklung hin zu All-in-One-Workspaces und nahtloser Integration in bestehende Systeme fortgesetzt. Anstatt mehrere disparate Tools zu verwenden, werden KI-Funktionen direkt in vertraute Arbeitsumgebungen wie Microsoft Office-Produkte oder Kanzleisoftware eingebettet.

Ein weiterer wichtiger Trend ist die Entstehung lokaler LLMs und intelligenter Agenten. Die rasante technologische Entwicklung führt dazu, dass LLMs im Laufe des Jahres 2025 erstmals den praktikablen Einsatz auf lokalen Geräten ermöglichen. Dies bedeutet, dass sensible Daten direkt auf dem eigenen Gerät verarbeitet werden können, ohne sie extern speichern oder übertragen zu müssen, was maximale Datensouveränität und Datenschutzkonformität gewährleistet.

Darüber hinaus werden intelligente Agenten juristische Arbeitsabläufe revolutionieren. Diese KI-Agenten können komplexe juristische Aufgaben selbstständig ausführen, indem sie verschiedene Teilaufgaben koordinieren – von der Vertragsprüfung bis zur Recherche aktueller Rechtsprechung.

Die KI-getriebene Entscheidungsunterstützung wird sich weiterentwickeln, jedoch stets unter der Prämisse, dass die endgültige Entscheidungsfindung eine menschliche Aktivität bleibt.

5.2. Wie KI die juristische Berufspraxis mittelfristig verändert

Der mittelfristige Einsatz von KI-Tools wird die juristische Berufspraxis tiefgreifend verändern und eine Neudefinition der Rolle von Juristinnen und Juristen erfordern.

  • Effizienzsteigerung: KI-Systeme können Standardaufgaben wie Rechtsrecherche, Dokumentenanalyse und Vertragsprüfung übernehmen, wodurch Anwälte mehr Zeit für komplexere, strategische und zwischenmenschliche Aspekte ihrer Arbeit gewinnen. Dies führt nicht zu einem vollständigen Ersatz von Juristen, sondern zu einer Verschiebung des Fokus von administrativen Tätigkeiten hin zu anspruchsvollerer Mandantenberatung.
  • Qualitätsverbesserung: KI-Tools können komplexe juristische Informationen analysieren und in einer für Nicht-Spezialisten verständlichen Form präsentieren, was zu präziseren Ergebnissen und fundierteren Entscheidungen führt. Studien zeigen, dass KI die Produktivität um 38 % bis 140 % steigern und die analytische Tiefe juristischer Argumentationen verbessern kann.
  • Zugänglichkeit juristischer Dienstleistungen: KI-gestützte Plattformen können standardisierte Rechtsberatung zu häufigen Fragestellungen anbieten, was den Zugang zu rechtlicher Hilfe für eine breitere Bevölkerungsschicht demokratisiert.
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Mandatsarbeit wird nicht mehr nur von Juristen geleistet, sondern von Teams, zu denen auch Entwickler, Mathematiker und Projektmanager gehören.
  • Neue Kompetenzanforderungen: Neben traditionellen juristischen Fähigkeiten werden KI-Kompetenz und die Fähigkeit, mit KI-Tools umzugehen und deren Ergebnisse kritisch zu bewerten, zu Schlüsselkompetenzen. Die Fähigkeit zum Prompt-Engineering, also der optimalen Formulierung von Anfragen an KI-Modelle, wird zunehmend wichtig.

5.3. Die Rolle rechtspolitischer und regulatorischer Vorgaben (EU AI Act)

Rechtspolitische und regulatorische Vorgaben spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Entwicklung und Anwendung von KI im deutschen und europäischen Rechtswesen.

Das maßgebliche Rahmenwerk auf europäischer Ebene ist der Artificial Intelligence Act (AI Act), der am 1. August 2024 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz führt EU-weite Mindestanforderungen für KI-Systeme ein.

Der AI Act klassifiziert KI-Systeme, die Justizbehörden bei der Recherche und Interpretation von Fakten und Gesetzen sowie bei der Anwendung des Rechts auf einen konkreten Sachverhalt unterstützen, als „hochriskant“. Dies bedeutet, dass für solche Systeme Risikomanagementsysteme eingerichtet werden müssen, um Risiken wie potenzielle Verzerrungen (Biases), Fehler und mangelnde Transparenz zu adressieren.

Ein grundlegendes Prinzip des AI Act ist die Betonung, dass der Einsatz von KI-Tools die Entscheidungsfindung von Richtern unterstützen kann, die endgültige Entscheidungsfindung jedoch eine menschlich gesteuerte Aktivität bleiben muss.

Auf nationaler Ebene gibt es in Deutschland derzeit keine spezifischen nationalen Gerichtsordnungen, die Anwälte dazu verpflichten, die Nutzung von KI offenzulegen. Allerdings umfassen die berufsrechtlichen Pflichten eines Anwalts ohnehin die Verantwortung, korrekte Aussagen zu machen.


FAQ – Häufig gestellte Fragen zu KI im deutschen Rechtswesen

Welche KI-Tools nutzen deutsche Jurist:innen am häufigsten aktuell?

Aktuell nutzen deutsche Jurist:innen eine Vielzahl von KI-Tools, darunter spezialisierte deutsche Lösungen wie STP.One Legal Twin (Aktenprüfung), iur.crowd (Legal Analytics), Gesetze.io Custom GPT (Rechtsrecherche), Noxtua (souveräne Legal AI) und Prime Legal AI (LLM-Integration, Anonymisierung). Internationale Tools wie Legora (kollaborativer Arbeitsbereich), Bryter Beamon AI (Dokumentenerstellung, Vertragsanalyse) und Harvey AI (für Großkanzleien) sind ebenfalls weit verbreitet. Zudem integrieren etablierte Rechtsinformationsanbieter wie Wolters Kluwer und C.H. Beck KI-Funktionen in ihre Datenbanken.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussen die Nutzung von Legal-Tech in Deutschland?

Das maßgebliche rechtliche Rahmenwerk auf europäischer Ebene ist der Artificial Intelligence Act (AI Act), der am 1. August 2024 in Kraft getreten ist. Er führt EU-weite Mindestanforderungen für KI-Systeme ein und klassifiziert juristische KI-Systeme als „hochriskant“, was die Einrichtung von Risikomanagementsystemen vorschreibt. Zudem ist die strikte Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine zentrale und nicht verhandelbare Anforderung für den Einsatz von KI-Tools im deutschen Rechtswesen.

In welchen Bereichen haben sich KI-Lösungen in deutschen Kanzleien etabliert?

KI-Lösungen haben sich in deutschen Kanzleien insbesondere in den Bereichen Dokumentenanalyse, -erstellung und Rechtsrecherche etabliert. Großkanzleien nutzen sie für Aufgaben wie den Entwurf juristischer Dokumente, Vertragsanalysen und Recherchen, während in Unternehmensrechtsabteilungen der Fokus auf Effizienzsteigerung im Vertragsmanagement, Due Diligence und Compliance liegt. Auch in der Justiz gibt es Pilotprojekte zur Unterstützung bei Massenklagen.

FAQ – Zukunftsaussichten

Wie verändern zukünftige Trends die juristische Arbeit durch KI in Deutschland?

Zukünftige Trends im deutschen Rechtswesen umfassen die weitere Spezialisierung von KI-Tools auf spezifische Rechtsgebiete, die Entwicklung von All-in-One-Workspaces für nahtlose Integration, und das Aufkommen lokaler LLMs für maximale Datensouveränität. Intelligente Agenten werden komplexe juristische Aufgaben selbstständig ausführen. Dies führt dazu, dass Jurist:innen sich stärker auf strategische, komplexere und zwischenmenschliche Aufgaben konzentrieren können, während KI Routinearbeiten übernimmt.

Gibt es signifikante Unterschiede zwischen der Nutzung durch Einzelanwält:innen vs. Großkanzleien?

Ja, es gibt signifikante Unterschiede. Großkanzleien und Unternehmensrechtsabteilungen sind oft Vorreiter und verfügen über die finanziellen Mittel für kostspielige, spezialisierte KI-Lösungen und eigene Legal-Tech-Teams. Einzelanwält:innen und kleinere Kanzleien stehen vor größeren Kosten- und Integrationshürden. Sie neigen dazu, kostengünstigere, Cloud-basierte oder Open-Source-Lösungen zu nutzen und können von KI profitieren, um auch Mandate mit geringen Streitwerten gewinnbringend zu bearbeiten.

Inwiefern wird juristische Ausbildung (z.B. an Universitäten) auf KI-Nutzung vorbereitet?

Die juristische Ausbildung in Deutschland beginnt sich anzupassen. Es gibt spezialisierte Master- (LL.M.) und Bachelor-Studiengänge (LL.B.) in Legal Tech an Universitäten wie Regensburg, Passau und Wismar. Auch Zertifikatsstudiengänge wie „KI und Legal Tech“ in Göttingen entstehen. Trotz dieser Fortschritte wird kritisiert, dass ein fundiertes Verständnis der digitalen Transformation in der allgemeinen Juristenausbildung noch kaum berücksichtigt wird, obwohl KI-Kompetenz zur Schlüsselqualifikation wird.


Mein Fazit zu KI im deutschen Rechtswesen

Die Analyse der aktuellen Landschaft der KI-Tools im deutschen Rechtswesen zeigt ein Bild dynamischer Transformation. Künstliche Intelligenz ist kein marginales Phänomen mehr, sondern ein zentraler Treiber für Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung in Kanzleien, Unternehmensrechtsabteilungen und der Justiz. Generative KI, insbesondere Large Language Models (LLMs), hat einen Paradigmenwechsel eingeläutet, wobei jedoch stets die unterstützende Rolle der KI betont wird und die letztendliche Entscheidungsfindung und Haftung beim menschlichen Juristen verbleibt.

Trotz Herausforderungen wie hohen Kosten und technologischer Skepsis, ist der Datenschutz – insbesondere die Einhaltung der DSGVO – eine nicht verhandelbare Bedingung, die die Entwicklung von Lösungen mit lokaler Datenverarbeitung vorantreibt. Die Risiken von KI-Halluzinationen erfordern eine kontinuierliche menschliche Überprüfung und die Entwicklung robuster, quellengestützter KI-Systeme.

Die Zukunft des Legal Tech in Deutschland wird von einer weiteren Spezialisierung der KI-Anwendungen, der Entwicklung integrierter All-in-One-Workspaces und dem Aufkommen lokaler, datenschutzkonformer LLMs und intelligenter Agenten geprägt sein. Jurist:innen werden sich mittelfristig von Routineaufgaben befreien, um sich auf strategischere, komplexere und zwischenmenschliche Aufgaben zu konzentrieren. Dies erfordert eine kontinuierliche Anpassung der Fähigkeiten und eine Offenheit für technologische Innovationen. Der EU AI Act wird dabei den Rahmen für eine verantwortungsvolle Entwicklung und Anwendung von KI im Rechtssektor setzen.

Empfehlungen:

  • Für Jurist:innen und Kanzleien: Setzen Sie sich proaktiv mit KI-Tools auseinander, prüfen Sie deren Ergebnisse kritisch und investieren Sie in den Kompetenzaufbau Ihrer Mitarbeiter:innen, insbesondere im Prompt-Engineering. Achten Sie bei der Auswahl von Lösungen stets auf höchste Datenschutzstandards.
  • Für Legal-Tech-Anbieter: Entwickeln Sie Lösungen mit lokalem Hosting und strikter DSGVO-Konformität. Priorisieren Sie Integration, Benutzerfreundlichkeit, Transparenz und die Erklärbarkeit Ihrer Modelle.
  • Für Gesetzgeber und Bildungseinrichtungen: Beschleunigen Sie die Integration von Legal Tech und KI in die juristischen Curricula und schaffen Sie klare regulatorische Rahmenbedingungen, die Innovation fördern und gleichzeitig Rechtssicherheit gewährleisten.

Der deutsche Rechtsmarkt steht an der Schwelle zu einer tiefgreifenden Transformation durch Künstliche Intelligenz. Die erfolgreiche Navigation durch diese Veränderungen erfordert eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten, um das volle Potenzial der KI verantwortungsvoll und zum Nutzen der gesamten Rechtsgemeinschaft zu entfalten.

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